Warum eine Bielefelderin ihren 100. Geburtstag in der Apotheke feiert (2025)

Bielefeld. Samstagmorgen, 9 Uhr – Apothekenbesuch. Wegen Husten, Schnupfen und Heiserkeit, der gerade gängigen Symptome? Nicht, wenn Anneliese Kresse an ihrem Geburtstag das Geschäft von Ella Martin betritt – dann herrschen Jubel, Trubel und Heiterkeit. Denn so ein 100., der will doch richtig gefeiert werden: Begrüßen und herzen und gratulieren. Das vergnügte Geburtstagskind bekam von Chefin Ella Martin das goldene Krönchen ins frisch ondulierte weiße Haar, und dann knallten die Korken – Sekt und Kuchen für alle Kunden.

„Zwei bis dreimal in der Woche fahren wir zum Einkaufen ins Nordpark-Center“, erzählt Tochter Brigitte Hollmann, die mit Ehemann Ingo und Tochter Meike ihre Mutter auch am vergangenen Samstag chauffierte. Wobei die klassische Runde so aussehe: Hallöchen in der Apotheke, Rewe rauf und runter, dann Kaffee und Kuchen und im Anschluss ein Zigarettchen, „solange wir da draußen nicht festfrieren“. Wobei Mutter und Tochter die schlanken weißen Tabakröllchen aus Frankreich favorisieren. Ganz Dame, ganz en vogue.

Das Kippchen musste am Samstag aber erst einmal warten, denn da stand die von einer Freundin selbst gemachte Biskuit-Torte „Milchmädchen“ mit Himbeerfüllung, dekoriert mit essbaren Eiweißcreme-Blumen, wie Ella Martin später erzählte. Teelichter auf den Tischen, Ballons unter der Decke, Sekt in den Gläsern – und natürlich ganz viel Medizin in den Regalen. Von der die jetzt 100-Jährige zum Glück praktisch nie etwas benötigt. Vielleicht mal eine Creme zum Einreiben der Waden, sagt Tochter Brigitte, oder etwas zum Kräftigen des Herzens.

Die Lebensgeschichte von Anneliese Kresse

Darum ist Anneliese Kresse definitiv nicht die beste Kundin, sondern die liebste: „Wir mögen Frau Kresse so gern, darum habe ich das so gemacht, als ob sie meine Mama oder Oma wäre“, sagte Ella Martin. Mit der Familie feierte Anneliese Kresse dann am Sonntag in der Finca Bar Celona mit „14 Mann“ und erzählte aus ihrem reichen Leben, das sie und ihren Mann 1949 nach Bielefeld führte:

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Überraschungsparty für 100-jährige Anneliese Kresse in der Apotheke

Ihr hohes Alter ist Anneliese Kresse kaum anzumerken. „Ich bin immer aktiv gewesen“, sagt sie. Auch jetzt noch kümmert sich Anneliese Kresse allein um den Haushalt, geht einkaufen und trifft sich jede Woche zum Kaffeeklatsch mit ihrer Tochter. Warum es nicht ohne eine Zigarette geht, verrät sie auch.

Geboren wird Anneliese Kresse am 8. Februar 1925 in Isenstedt, Kreis Lübbecke. Als eines von acht Geschwistern wächst sie auf einem Hof mit großer Landwirtschaft direkt am Mittellandkanal auf. „Es war ein schönes Haus, und wir hatten einen Garten mit vielen Rosen“, erinnert sich die 100-Jährige.

Erst Zigaretten drehen – dann Granaten

Nachdem sie bei der Firma Blase das Zigarrendrehen gelernt hat, wird sie im Zweiten Weltkrieg zur Arbeit in einer Munitionsfabrik in Espelkamp verpflichtet. „Wir mussten Handgranaten herstellen“, erzählt sie. In Espelkamp lernt sie 1944 auch ihren Mann Werner kennen, der dort als Soldat stationiert ist. Ein Jahr später kommt Tochter Brigitte zur Welt. 1949 zieht die kleine Familie schließlich in eine Wohnung nach Bielefeld. Dort wohnt Kresse heute, 76 Jahre später, noch immer.

Mit ihrem Mann teilte Kresse ihre große Leidenschaft – das Reisen: „Wir waren in Italien, Österreich, Dänemark, Jugoslawien und der Schweiz, auch an der Ost- und Nordsee waren wir oft“, sagt sie. Als ihr Ehemann 2003 überraschend verstirbt, denkt Kresse nicht daran, mit dem Reisen aufzuhören. „Bis vor zehn Jahren ist meine Mutter mit meinem Mann und mir regelmäßig in den Urlaub gefahren“, sagt Tochter Brigitte.

Neben dem Reisen hat Anneliese Kresse weitere Hobbys, sie liest gerne Zeitschriften, macht Kreuzworträtsel und fordert jede Woche das Lottoglück heraus. Ihr Glück reichte sogar schon zum Gewinn eines Opel. Außerdem schläft sie gerne: „Ohne Mittagsschläfchen geht es nicht“, sagt sie. Eine Leidenschaft ist in ihrem Alter eher ungewöhnlich: „Ich rauche hin und wieder gerne mal eine Zigarette“, sagt Kresse. „Das Rauchen hat sie jung gehalten“, sagt ihre Tochter augenzwinkernd.

Bielefelderin versorgt sich mit 100 Jahren noch selbst

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer „Zigarettchen“ ist Anneliese Kresse noch immer sehr fit. Sie sei nur ein einziges Mal in ihrem Leben im Krankenhaus gewesen. „Zwei- bis dreimal die Woche gehe ich Kaffee trinken“, sagt sie. Auch den Haushalt wirft die 100-Jährige noch allein, geht selbst einkaufen, kocht und macht sauber. „Solang, wie man das kann, soll man es auch machen, immer bloß sitzen ist auch nichts“, sagt sie. Ihre aktive Lebensweise sei ein Grund für ihr hohes Alter: „Ich habe immer Vollzeit gearbeitet, bei Kochs Adler und bei Anker.“

Ihr Rat an jüngere Generationen ist da nur logisch: „Immer fleißig sein, arbeiten, Geld verdienen und reisen.“ Jetzt wünscht sie sich vor allem, weiterhin gesund zu bleiben. „Ich muss dieses Jahr nämlich noch einige Feiern mitmachen“, sagt sie schmunzelnd. Tochter Brigitte wird in diesem Jahr 80 und Urenkelin Lina feierte bereits am Freitag ihren 18. Geburtstag.

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Author: Greg Kuvalis

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